Immer mal wieder ein heißes Thema: Wie schnell muss man eigentlich antworten, wenn sich auf den Social-Media-Kanälen etwas tut? Darf man keinen ruhigen Abend mehr haben, wenn man dort aktiv ist? Oder ist es eigentlich eine Unverschämtheit, wenn Fans und Follower sich außerhalb der Bürozeiten melden, und man sollte sie einfach ignorieren? Im Netz findet man alle Positionen, meiner Ansicht nach liegt die Wahrheit, wie so oft, in der Mitte.

Reaktionszeit Lebenszeit

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Die Ausgangssituation ist natürlich ganz eindeutig: Wer sich über Facebook & Co. an einen Menschen oder eine Institution wendet, geht davon aus, dass diese Nachricht schnell ankommt und schnell beantwortet wird. Facebook vergibt inzwischen sogar das Siegel „Hohe Reaktionsfreudigkeit“ an Seiten, die Nachrichten in weniger als fünf Minuten beantworten.

Hier würde ich jedoch schon ansetzen und für realistische Erwartungen plädieren: Müssen Sie wirklich am Donnerstagabend um 23.11 Uhr wissen, ob für die Führung am Sonntag noch Plätze frei sind? Glauben Sie, dass die Person, die die Social-Media-Kanäle betreut, Ihnen diese Frage vom heimischen Sofa aus beantworten kann? Vermutlich eher nicht.

Zur Illustration des Problems streue ich im Folgenden eine kleine Anekdote ein, in die ein von mir betreuter Museums-Twitter-Account verwickelt war. (Ich poste mit voller Absicht keinen Screenshot, da ich davon ausgehe, dass es den anderen Beteiligten unangenehm wäre.) Der Deutlichkeit halber erzähle ich die Geschichte, so gut es mir möglich ist, aus beiden Perspektiven:

 

a) „Die Neugier lässt mir keine Ruhe!“

Twitterer #1 und #2 kennen sich online schon länger, und kommen eines Abends ins Gespräch über eine Veranstaltung im Museum, die #1 sechs Wochen zuvor besucht hatte. Das Thema wäre auch für #2 total spannend gewesen, schade, dass er es verpasst hatte. Aber zum Glück gibt es Twitter, und da kann man ja nachlesen! #1 weiß noch, dass das Museum getwittert hatte, und auch einige der Teilnehmer. Er nennt #2 den Hashtag, aber danach zu suchen ist schon mühsam. Bestimmt hatte das Museum doch ein Storify gemacht! Da konnte man doch mal fragen. Überhaupt hätten die längst mal merken können, dass über ihre Veranstaltung gesprochen wurde, oder?! Da konnte man auch gleich noch drauf hinweisen, schließlich sollten die hier auf Twitter schon merken, wenn man mit ihnen sprechen will. Aber da kommt einfach keine Antwort, was soll das denn?

 

b) „Ich habe frei!“

Ostersonntag vor zwei oder drei Jahren, es war schon gegen 22 Uhr. Ich war übrigens im Urlaub in Frankreich, mein Empfang war fürchterlich. Zwei Twitterer begannen, sich über eine Veranstaltung zu unterhalten, die sechs Wochen zuvor im Museum stattgefunden hatte. Einer fragte nun das Museum, wo denn das Storify sei. Als ich darauf nicht gleich reagierte (mein Handy konnte nur die Voransichten und nicht die ganzen Tweets laden, geschweige denn eine Antwort senden), gingen immer mehr Tweets ein.

Ich tigerte also gegen halb elf zu den Nachbarn, stellte mich unters Fenster und hoffte auf WLAN-Empfang. Es klappte, und ich konnte nun sehen, was los war. Die beiden forderten mit steigender Vehemenz das Storify ein (das leider nicht existierte) und ärgerten sich, dass ihnen nicht sofort geholfen wurde. Nachdem ich nun wiederum meinen Ärger weitgehend runtergeschluckt hatte, wünschte ich den beiden sehr höflich frohe Ostern und einen schönen Abend, am Dienstagmorgen würde ich ihnen gern die Dokumentation zuschicken. Und siehe da: Sie wünschten mir schöne Ostern (ich stellte mir vor Verlegenheit zart gerötete Ohren vor) und eine gute Nacht.

 

Ein Plädoyer für mehr gegenseitiges Verständnis

Die beiden Twitterer hatten aus ihrer Sicht Recht: Social Media kennen nun mal keine Ruhezeiten. Natürlich konnte ich verstehen, dass derjenige, der diese Veranstaltung verpasst hatte, gern nachlesen wollte. Aber hier kommt wieder ins Spiel, was ich nicht müde werde zu wiederholen: Auch im Internet haben Sie es mit Menschen zu tun, daher gelten dieselben Regeln der Höflichkeit. Bitten ist immer netter als fordern oder verlangen, und kämen Sie vielleicht auf die Idee, am Ostersonntag nach 22 Uhr in einem Museum anzurufen? Wenn nicht, können Sie auch nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass man Sie auf Twitter umgehend betreut.

Sofern Sie also Fan oder Follower von Museen oder kleinen Unternehmen sind: Bedenken Sie, dass am anderen Ende kein großes Team steht, das sich in Schichten abwechselt. Meistens besteht die Social-Media-Abteilung aus einem Menschen, und der muss auch mal Pause machen. Haben Sie also ein wenig Geduld, wenn es nicht wirklich brennt.

Ich habe aber auch so eine Ahnung, woher die Genervtheit in manchen Fällen kommt: Es gibt immer noch zu viele Museen, die Social Media nur nine-to-five machen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das funktioniert nicht. Ich weiß, insbesondere wenn Sie angestellt sind, ist das anstrengend. Aber Tweetups und andere Veranstaltungen, bei denen man mitmischen sollte, sind gern abends oder am Wochenende, und genau dann haben Ihre Fans auch die meiste Zeit, mit Ihnen zu sprechen. Und natürlich verdienen sie eine Antwort. Die Frage ist nun, wie schnell.

 

Die Ermessensfrage

Man steht immer wieder vor der Entscheidung, worum man sich sofort kümmern muss und was Zeit bis morgen früh hat. Ich lerne selbst fortwährend dazu, fahre jedoch in aller Regel ganz gut, wenn ich auf mein Bauchgefühl höre. Bei Nachrichten, die zu merkwürdigen Zeiten eintrudeln und deren Inhalt nicht dringend ist, kann der Fragesteller Glück oder Pech haben. Wenn es mich gerade nicht stört, antworte ich auch mal gleich, aber das ist eben nicht immer der Fall. Sollten darauf mal Beschwerden folgen, werde ich gerne für meine Entscheidung geradestehen. Am Ende des Tages habe schließlich auch ich das Recht auf ein Privatleben.

In den seltenen Fällen, in denen jemand wirklich jetzt Hilfe braucht, ist das natürlich etwas ganz anderes. Dann tue ich ungeachtet der Uhrzeit, was ich kann. Interessanterweise sind das dann aber auch bis jetzt immer Menschen gewesen, denen klar war, dass eine solche Reaktion vielleicht nicht ganz selbstverständlich war.

Ein kleiner Tipp: Wenn Sie im Team arbeiten oder angestellt sind, sprechen Sie das Thema doch mal im Kollegenkreis an und erarbeiten Sie gemeinsam Richtlinien. So sind Sie abgesichert, falls mal etwas schief laufen sollte.

 

Welche Aufgabe hat Ihr Account?

Selbstredend ist für die Frage nach der angemessenen Reaktionszeit immer auch die Branche und die Art des Kanals relevant. Dezidierte Helplines, die mit 24-Stunden-Service werben, sollten den auch haben. Wenn mein Computer/mein Telefon o.ä. nicht funktioniert, möchte ich jetzt Rat und Hilfe. Aber dieser Anspruch gilt wohl für die wenigsten Kultureinrichtungen, und für kleine bis mittelgroße Geschäfte auch nur im Ausnahmefall. Hier ist es meines Erachtens okay, wenn in etwa während der Geschäftszeiten reagiert wird.

Damit meine ich jetzt nicht, dass Sie zum Paragraphenreiter werden und Ihre Fans und Follower erziehen sollen. Umgekehrt sollten Sie sich aber auch nicht so sehr stressen lassen, dass sie den Hamster im Rad spielen. Ein Social-Media-Beauftragter mit Burn-out hilft niemandem. Wenn Sie also abends ins Kino gehen, haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn Sie das Handy ausschalten. Für einen netten Abend mit Freunden oder dem Partner gilt dasselbe. Sie arbeiten für eine Kultureinrichtung und nicht in der Notaufnahme. Die Folgen einer verspäteten Antwort können selten wirklich dramatisch sein, und selbst wenn: Sie sind auch nur ein Mensch. Und Menschen haben das Recht auf Nachtruhe und Freizeit.

Es wäre doch zu schade, wenn wir uns alle den Spaß an der Kommunikation durch überzogene Erwartungen und/oder schlechte Manieren verderben würden!

 

Und jetzt?

Habe ich Sie gründlich verwirrt? 😉 Falls ja, willkommen im Club. Außer „mehr Personal“ habe ich noch keine perfekte Lösung für das Problem gehört. Bevor ich Sie gleich noch nach Ihrer Einstellung frage, möchte ich noch kurz versuchen, in zwei Sätze zu packen, was meine Empfehlung wäre: Seien Sie sich bewusst, dass Social Media nicht schlafen und haben Sie öfter mal ein Auge darauf. Aber nehmen Sie sich auch bewusst frei und setzen Sie Prioritäten.

So ungefähr versuche ich das bisher… Wie verfahren Sie in dieser Frage? Über Erfahrungsberichte, Ratschläge und Meinungen würde ich mich freuen!

 

Tanja Neumann

Tanja Neumann

museums(t)raum