Tanja Praske hat zu einer Blogparade aufgerufen. Es geht um Kultur-Tipps, und hier ist meiner: die Ausstellung „Helene Schjerfbeck“ in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt.

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Helene Schjerfbeck, Maria, 1909 Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Zuerst mal die Basics: Tanjas Aufruf finden Sie hier, und was eine Blogparade ist, habe ich hier erklärt. Warum empfehle ich gerade Helene Schjerfbeck (deren Namen man übrigens „Helen Scherfbeck“ spricht)? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Erstens habe ich bereits letzte Woche über das Digitorial berichtet, eine responsive Website, die inhaltlich in die Ausstellung einführt und den Anspruch hat, auf den Besuch vorzubereiten. Meiner Meinung nach eine sehr gute Idee! Zweitens hat mich die Ausstellung ehrlich beeindruckt. Dazu gleich mehr. Und drittens kommt Helene Schjerfbeck aus Finnland, und Finnland ist auch der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, die vom 8. bis 12. Oktober stattfinden wird. Wer dafür nach Frankfurt kommt, der möchte vielleicht nach der finnischen Literatur auch noch ein wenig finnische Kunst kennen lernen.

Viele wichtige Werke Schjerfbecks befinden sich in Privatsammlungen, daher ist es nicht unkompliziert, eine Ausstellung zu realisieren. Darüber hinaus wurde das Werk der schwedisch sprechenden Finnin nach ihrem Tod im Jahr 1946 mehr oder weniger vergessen, bis sie in den 1980ern wiederentdeckt wurde. Eine große Ausstellung ihres Schaffens hat es in Europa aber bereits gegeben: 2007 machte eine Retrospektive in Den Haag, Paris und Hamburg Station. Darum, so Anna-Maria von Bonsdorff, Direktorin des Ateneum Art Museum, grenzt sich die Ausstellung in der Schirn sich sehr bewusst vom biografischen Ansatz ab.

Es wäre leicht, in Schjerfbecks Werk eine Spiegelung ihres Lebens zu sehen – als Kind verletzte sie sich und behielt eine leichte Gehbehinderung zurück; über mehrere Jahrzehnte lebte sie abgeschieden. Sie erklärte auch selbst einmal, sie male sich selbst, da auf diese Weise das Modell immer zur Verfügung stünde. Wenn eine Ausstellung sich nun also auf Schjerfbecks Selbstporträts konzentriert, könnte man erwarten, eine Künstlerin in ihren verschiedenen Lebensphasen auf der Leinwand zu sehen. Das ist jedoch zu einfach gedacht – an einigen ihrer Selbstporträts arbeitete die Malerin über Jahre, im Extremfall dreizehn Jahre lang. Was man sieht, sind reduzierte, dadurch sehr konzentrierte Studien.

Helene Schjerfbeck  Selbstbildnis mit silbernem Hintergrund,1915. Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Helene Schjerfbeck Selbstbildnis mit silbernem Hintergrund,1915. Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Nach dem Besuch der Ausstellung könnte ich Ihnen allerdings nicht sagen, welche Augenfarbe Helene Schjerfbeck hatte oder ob ich sie hübsch finde. Denn sie malt sich nicht als Individuum, sondern als Stereotyp. Hin und wieder hatte ich fast den Eindruck, als wollte sie sagen: „Schaut her – so malt man eine Frau!“ (Im Gegensatz zu: „Schaut her – das bin ich!“) Wenn sie andere Personen malt, ist die Darstellung manchmal so, dass man die Porträtierte vermutlich auf der Straße erkennen würde. Oft geht es aber auch hier um Typen, die „dunkle Dame“, „spanische Frau“ oder „Mädchen aus dem Dorf“ heißen. Sie haben kaum definierte Augen oder schauen nach unten – Kuratorin Carolin Köchling bezeichnet sie als „SurFaces“, weil ihre Gesichter sowohl der Malerin als auch dem Betrachter als Projektionsflächen dienen.

Helene Schjerfbeck  Selbstbildnis (Eine alte Malerin), 1945. Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Helene Schjerfbeck Selbstbildnis (Eine alte Malerin), 1945. Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Es geht in der Ausstellung also um Helene Schjerfbeck und ihre Arbeitsweise, aber auch um die menschliche Gestalt, vielleicht sogar die conditio humana. Letztere kann nicht jeder darstellen – Helene Schjerfbeck tut es in einer Weise, die mich berührt, und deshalb ist diese Ausstellung mein Kultur-Tipp.