Am 29. September hat das zweite Social-Media-Gaming-Barbecue (#smgbbq) in Frankfurt stattgefunden. Ich hatte schon einmal über diese Aktion berichtet, die Christoph Deeg ins Leben gerufen hat, da ich auch beim ersten Mal dabei war. Bei der Neuauflage hat auch Ulrike Schmid teilgenommen. Es war schon etwas spät, um den Grill anzuwerfen, also haben wir uns auf japanische Küche geeinigt und im Mosch Mosch gegessen.
Wie beim letzten Mal war es ein sehr schöner Abend mit spannenden Gesprächen – über Social Media, kulturelle Institutionen, Gaming, Hochkultur und Populärkultur, die Parallelen zwischen dem Besuch eines Fußballstadions und eines Museums, die Zukunft kultureller Betriebe in Deutschland und vieles mehr. Ein Thema, auf das wir immer wieder zurückgekommen sind, ist die Tatsache, dass ss nach wie vor bei Weitem nicht selbstverständlich zu sein scheint, Phänomene wie Social Media und Gaming mit Kulturvermittlung zusammen zu bringen. Ich vermute, dass sich das auf die immer noch präsente Trennung zwischen Hochkultur und Popkultur zurückführen lässt.
Wenn jemand diese Dichotomie aufmacht, werde ich immer an ein Buch erinnert, über das ich während meines Studiums im Zuge der Recherche für eine Hausarbeit über Computerspiele gestolpert bin: „Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel“ von Johan Huizinga. Der niederländische Kulturhistoriker, der meines Wissens vor allem durch „Herbst des Mittelalters“ bekannt wurde, begreift den Menschen als denkendes, schaffendes und spielendes Wesen. Als Spiel definiert Huizinga eine freiwillige Handlung, die durch einen bestimmten Raum und eine vordefinierte Dauer vom „gewöhnlichen“ oder „eigentlichen“ Leben getrennt ist (Vgl. Johann Huizinga: „Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel.“ Rowohlt: Reinbek bei Hamburg, 1956.19. Aufl. S. 16) und Spielregeln folgt (Vgl. Huizinga 1956, S. 20f.).
Das Spiel ist für ihn nicht eine Ausprägung von Kultur, sondern einer ihrer Ursprünge: „Spiel ist älter als Kultur; denn so ungenügend der Begriff Kultur begrenzt sein mag, er setzt doch auf jeden Fall eine menschliche Gesellschaft voraus, und die Tiere haben nicht auf die Menschen gewartet, daß diese sie erst das Spielen lehrten“ (Huizinga 1956, S. 9). Er versucht in seiner Untersuchung zu zeigen, dass „Kultur in Form von Spiel entsteht, daß Kultur anfänglich gespielt wird“ (Huizinga 1956, S. 57). Das Spiel ist also ein Experimentieren mit Verhaltensweisen, die sich eventuell zu kulturellen Normen ausbilden können. Im Laufe der Zeit tritt das spielerische Element dann in den Hintergrund, geht zu großen Teilen in der sakralen Sphäre auf, aber auch in der Kunst, im Rechtssystem, in der Politik u. ä. Verschwinden kann das spielerische Element jedoch nie, im Gegenteil – es kann jederzeit wieder zentral werden (Vgl. Huizinga 1956, S. 57). Diesen Prozess zeigt Huizinga an der Entwicklung mehrerer Kulturkreise auf.
Vor dem Hintergrund eines solchen Kulturbegriffs wirkt nicht nur die Unterscheidung zwischen Hoch- und Popkultur fragwürdig, sondern auch die Abwertung von Social Media gegenüber traditionellen Medien. Es ist also keineswegs revolutionär oder gewagt, wenn ein Museum, ein Orchester, eine Bibliothek oder eine ähnliche Institution die neuen Kanäle nutzt – und sich auf ihre spezifische Funktionsweise einstellt! -, vielmehr klinkt sie sich so in die Entwicklung von Kultur aus Spiel ein: Wenn eine Plattform neu ist, wird zunächst spielerisch ausprobiert, wie sie genutzt werden kann. Es gibt noch keine Standards, die Etikette ist noch unspezifisch, die geeigneten Ausdrucksformen und Einsatzgebiete für das Netzwerk finden sich erst allmählich. (Das ist im Moment etwa bei Google + zu beobachten: Es gibt noch Änderungen und Ergänzungen von zentraler Bedeutung, Early Adopters „spielen“ mit den neuen Möglichkeiten.) Im Lauf der Zeit ritualisiert sich so etwas: Jemand, der zum ersten Mal die Twitter-Homepage aufruft, wird wahrscheinlich nur Bahnhof verstehen. „Social Media“ ist eine Sprache mit sehr verschiedenen Dialekten, die man erstmal lernen muss – und auch das funktioniert am besten über ein spielerisches Ausprobieren. Und das Beste ist: Wer „mitspielt“, kann das Netzwerk und seinen Dialekt mitprägen.
Zu vorgerückter Stunde hat Christoph mit Ulrike und mir dann auch noch Videointerviews gemacht – das gehört auch zur Tradition des Social-Media-Gaming-Barbecue. Sie werden wahrscheinlich früher oder später auf seinem Blog auftauchen…
Nach einem Absacker mussten wir den Abend dann beenden, weil wir alle am nächsten Morgen Termine hatten – ich freue mich aber schon auf die nächste Gelegenheit, an einem Social-Media-Gaming-Barbecue teilzunehmen! Auf diesem Weg noch einmal Danke an Christoph und Ulrike 🙂