Am Dienstag, den 19. Juni 2012, eröffneten in Frankfurt zwei Ausstellungen des 1955 in New York geborenen Künstlers Jeff Koons. Zusammen stellen „Jeff Koons. The Painter“ in der Schirn und „Jeff Koons. The Sculptor“ im Liebieghaus mit über 70 Werken die bisher größte Ausstellung dar, die diesem Künstler gewidmet wurde. Parallel zu den Frankfurter Ausstellungen, die noch bis zum 23. September laufen, sind auch in Basel Werke von Koons zu sehen: Die Fondation Beyeler zeigt vom 13. Mai bis zum 2. September eine Ausstellung, in der es um Koons‘ künstlerische Entwicklung geht.

Der Frankfurter Ansatz ist ein anderer: Die Schirn zeigt die Gemälde, das Liebieghaus die Skulpturen. Wer mehr über die ausgestellten Werke, Koons‘ Kunstverständnis und die Konzeption der Ausstellung(en) wissen möchte, dem sei diese Artikelreihe im SCHIRNMAG empfohlen. Dort finden sich auch Bildergalerien, deren Betrachtung sich definitiv lohnt.

Die Eröffnung selbst war eine riesige Party, Menschenmassen drängten sich am Eingang und warteten gespannt darauf, ihre Einladungen im goldenen Umschlag präsentieren zu dürfen.


Meine erste Station war die Schirn – selbst auf den Treppen herrschte noch Gedränge, denn Koons fasziniert. Auch wenn in solchen Situationen das kontemplative Element naturgemäß zu kurz kommt, hat es doch einen besonderen Charme, Ausstellungen im Gedränge zu besuchen. Man bekommt die Reaktionen der anderen Besucher hautnah mit… Und die zu beobachten, war in diesem Fall nicht uninteressant. „Der Typ ist wie ein verdammter Rockstar!“, erklärte neben mir ein Mann seiner Begleitung. Allerdings, Koons IST ein Star. Meines Wissens kein Rockstar, ein Shooting Star aber definitiv. Einer, der polarisiert.

Mit dem Betreten der Ausstellung veränderten sich die Kommentare um mich herum. Äußerungen à la „Also, wirklich!“ (geäußert in entrüstetem Tonfall von einer älteren Dame) und „Boah, hast du die gesehen?!“ (fasziniert und mit Fingerzeig auf die pornografische „Made in Heaven“-Reihe, die aus nachvollziehbaren Gründen hinter einer Trennwand ausgestellt wird) wechselten sich ab mit den fachlich fundierten Kommentaren der anwesenden Kunst- und/oder Koons-Kenner.

Da ich weder das eine noch das andere bin, ist mein Eindruck von der Ausstellung durchaus anfechtbar. Mir haben sich bei der Betrachtung der Gemälde (die alle großformatig, bunt und handwerklich perfekt, ansonsten aber völlig unterschiedlich sind), spontan zwei Eindrücke aufgedrängt:

1. Koons mag Frauen. (Das war ein Euphemismus, um nicht in FSK18 abzugleiten.)

2. Das Wort „Ironie“ ist ihm nicht fremd.

Bei Punkt 1 dürfte mir kaum jemand widersprechen wollen – der weibliche Körper ist (gefolgt vom männlichen) DAS wiederkehrende Motiv. Selbst in zahlreichen Gemälden, die abstrakt sind oder vordergründig etwas anderes zeigen, lassen sich Teile von weiblicher Anatomie ausmachen. Koons macht kein Geheimnis daraus, dass ihn der Eros fasziniert.

Die „Made in Heaven“-Serie erzählt auch ein Stück Lebensgeschichte: Koons engagierte dafür 1990 die italienisch-ungarische Pornodarstellerin und Skandal-Politikerin Cicciolina (bürgerlicher Name Ilona Staller), die er kurz darauf heiratete. Die Serie zeigt sie in verschiedenen intimen Situationen mit – Jeff Koons.

Erstmalig gezeigt wird in Frankfurt die Serie „Antiquity“. In der Hauptrolle: natürlich der Eros. „Antiquity 2“ ist, nebenbei bemerkt, das einzige Gemälde, das nicht wie zu erwarten in der Schirn, sondern im Liebieghaus hängt.

Nach einem kurzen zweiten Abstecher zu meinem persönlichen Favoriten („Lips“ aus der Reihe „Easyfun-Ethereal“, eine surrealistisch anmutende Farbexplosion), verließ ich die Kunsthalle und machte mich auf den Weg zum Liebieghaus. Während ich mich die Treppen hinunterkämpfte, brandete plötzlich Applaus auf – der Künstler war gesichtet und sofort von seinen Bewunderern umzingelt worden. Leider konnte ich nicht mehr sehen als eine winkende Hand.

Am Mainufer entlang weisen Flaggen den Weg, sodass es auch ohne Ortskenntnis kein großes Problem sein sollte, zur Schwesterausstellung zu finden.


Auch im Liebieghaus tummelten sich Fans und Neugierige. Das Besondere an „The Sculptor“ ist, dass die Werke von Koons nicht in einem separaten Ausstellungsraum präsentiert, sondern in die Dauerausstellung eingearbeitet wurden. So treten die modernen Kunstwerke mit Relikten aus vergangen Epochen in einen Dialog, der teilweise verblüffend harmonisch wirkt, gelegentlich aber auch Erwartungen konterkariert. Koons selbst outete sich als Fan des Liebieghauses, das er regelmäßig besuche.

Die Kommentare aus dem Publikum fielen hier anders aus als in der Schirn: Besucher berieten sich auf der Treppe darüber, ob der Weg nach oben sich lohne und diskutierten kontrovers darüber, seit wann ein Sektkühler Kunst sei. Diese Frage stellte sich bei den großen Werken weniger, und es hat definitv seinen ganz eigenen Charme, wenn Michael Jackson mit dem Affen Bubbles sich bei den alten Ägyptern einreiht oder ein glitzernder Popeye mit monumentalen Ausmaßen inmitten von Büsten steht.